Episode 68 – Heiko und das Fenster

Der Ostflügel lag im frühen Morgenlicht, still und verlassen wie eh und je. Doch heute war Heiko nicht als Beobachter hier – heute hatte er Werkzeug in der Hand. Eine kleine Tasche mit Schraubenziehern, Spachtel und Glasreiniger baumelte an seiner Seite, als er die knarrende Holztreppe hinaufstieg.
Alle bisher veröffentlichen Episoden
- Episode 72 – Heiko im Kiek In
- Episode 71 – Rückkehr an den Steg
- Episode 70 – Das Fenster im Dorf
- Episode 69 – Die unterbrochene Linie
- Episode 68 – Heiko und das Fenster
- Episode 67 – Die Notiz auf dem Umschlag
- Episode 66 – Jonas hat eine Vermutung
- Episode 65 – Die Geräusche im Flur
- Episode 64 – Stimmen im Flur
- Episode 63 – Der Staub vergangener Jahre
- Episode 62: Das Gleichgewicht
- Episode 61: Das Flüstern im Laub
- Episode 60: Das Zeichen am Ufer
- Die Spur der Falkenbergs
- Die verlorene Verbindung
- Das alte Versprechen
- Der verschwundene Gast
- Das erste Jahr im Seeblick
- Episode 58: Ein neuer Blick auf das Seeblick
- Episode 57: Ein Tag im Seeblick
- Episode 56: Ein stiller Beobachter
- Episode 55: Heiko entdeckt Sankelmark
- Episode 54: Ein leiser Wandel
- Episode 53: Die Ankunft der Familie Lenzen
- Episode 52: Das vergessene Gutshaus
- Episode 51: Die verborgenen Aufzeichnungen
- Episode 50: Verborgene Pfade
- Episode 49: Die Inschrift in der Kirche
- Episode 48: Die Reise nach Oeversee
- Episode 47: Das Echo der Glocke
- Episode 46: Die Glocke aus der Tiefe
- Episode 45: Die Fahrt ins Unbekannte
- Episode 44: Die Spur auf dem See
- Episode 43: Begegnungen in Oeversee
- Episode 42: Der Blick durch das Fernrohr
- Episode 41: Die Spur im Hafen
- Episode 40: Die Karte der Vergangenheit
- Episode 39: Das vergessene Ufer
- Episode 38: Der Kompass des Vergessens
- Episode 37: Der Fund am Morgen
- Episode 36: Die Botschaft aus der Tiefe
- Episode 35: Das Licht im Wasser
- Episode 34: Grenzen und Konsequenzen
- Episode 33: Das Echo des Sees
- Episode 32: Ein Tag in Sankelmark
- Episode 31: Das Geheimnis im Schilf
- Episode 30: Zwischen Alltag und Ungewissheit
- Was bisher geschah - was geschehen wird
- Episode 29: Das Grollen aus der Tiefe
- Episode 28: Das Echo aus der Tiefe
- Jonas und sein Geheimnis
- Episode 27: Ein spannender Alltag im Hotel Seeblick
- Episode 26: Schatten über dem See
- Episode 25: Das Grollen aus der Tiefe
- Episode 24: Die Warnung aus der Tiefe
- Episode 23: Anna und die Stimmen der Vergangenheit
- Zwischenerzählung: Anna und der Ruf des Seeblick
- Episode 22: Das verschwundene Zeichen
- Episode 21: Das Echo der Vergangenheit
- Was bisher geschah: Die Geheimnisse des Sankelmarker Sees
- Episode 20: Die Wächter des Sees
- Episode 19: Das Echo der Glocke
- Episode 18: Der Fremde und die Wahrheit im Nebel
- Episode 17: Das Rätsel der Kristalle
- Episode 16: Ein Rätsel im Dorf
- Episode 15: Ein lebhafter Tag im „Seeblick“
- Anna und die Stimmen der Vergangenheit
- Episode 14: Der verborgene Tunnel
- Episode 13: Verborgene Wahrheiten im Hotel
- Episode 12: Das Tagebuch des Fremden
- Episode 11: Die Spur im Nebel
- Was bisher geschah rund um den Sankelmarker See: Die Reise ins Unbekannte
- Episode 10: Der erste markierte Punkt
- Episode 9: Annas Sorgen und neue Pläne
- Tauche ein in die Geheimnisse des Sankelmarker Sees – per WhatsApp!
- Episode 8: Das verborgene Zimmer
- Episode 7: Die Akademie Sankelmark
- Episode 6: Die Lichter auf dem See
- Episode 5: Die Gravuren im Nebel
- Episode 4: Das verlorene Boot
- Episode 3: Symbole im Arnkielpark
- Episode 2: Das Kiek In und die ersten Geschichten
- Episode 1: Annas Neuanfang
- Das Bullauge der Zeit
Er hatte es Anna nicht angekündigt. Es war eher ein spontaner Entschluss gewesen – ein Bedürfnis, dem Verfall etwas entgegenzusetzen. Und vielleicht auch ein Versuch, die Dinge im Inneren des Hauses zu verstehen, indem er im Äußeren Ordnung schuf.
Zimmer 17. Das Fenster ließ sich kaum noch öffnen. Der Rahmen war verzogen, die Dichtungen porös, und bei starkem Regen drang Wasser durch den Spalt. Heiko hatte es bei seinem letzten nächtlichen Rundgang bemerkt. Heute wollte er sich darum kümmern.
Er trat ein. Der Raum wirkte wie immer: ruhig, in sich gekehrt, voller Geschichten, die niemand laut erzählen wollte. Der Sessel stand noch immer am Fenster, leicht verdreht, als hätte jemand darin gesessen – vor Jahren, vor Wochen, vielleicht gestern.
Heiko legte seine Tasche auf den Boden, zog die Handschuhe über und begann zu arbeiten. Er löste die alten Nägel, hob den Rahmen vorsichtig an, versuchte, das verkantete Holz zu lockern. Es ging mühsam voran. Während er sich über das Fenster beugte, fiel ihm eine kleine Einkerbung auf – direkt in den inneren Rahmen geritzt, kaum sichtbar unter dem Staub.
Er wischte mit dem Daumen darüber. Drei konzentrische Kreise.
Er hielt inne.
Das gleiche Symbol, das er bereits mehrfach in alten Notizen, auf der Glocke und in den Aufzeichnungen der Kinder gesehen hatte.
Er nahm sein Handy, machte ein Foto, zoomte hinein. Kein Zweifel.
War das Zufall? Hatte jemand es im Vorbeigehen eingeritzt – ein Kind, ein Handwerker? Oder war es ein Zeichen? Eine Markierung, bewusst gesetzt?
Er trat zurück, betrachtete das Fenster als Ganzes. Das Licht fiel schräg herein und warf einen milden Glanz auf den Dielenboden. Die Linie der drei Kreise spiegelte sich, kaum sichtbar, auf dem Holz.
In diesem Moment klopfte es leise an der Tür.
Heiko zuckte zusammen. „Ja?“
Die Tür öffnete sich langsam, und Anna trat ein. Sie hatte einen Schal um die Schultern gelegt, obwohl es im Haus nicht kalt war.
„Ich habe gesehen, dass du Werkzeug mitgenommen hast“, sagte sie. „Bist du oben allein?“
Heiko nickte. „Ich wollte das Fenster reparieren. Es zieht rein. Ich dachte… es ist ein Anfang.“
Anna trat näher, warf einen Blick auf die Fensteröffnung. Dann blieb ihr Blick an der Gravur hängen.
„Du hast es gefunden“, flüsterte sie.
Heiko sah sie an. „Du kennst es?“
„Ich habe es als Kind gesehen. Diana hat es geritzt. Heimlich. Sie sagte, das Haus hätte es ihr gezeigt.“
Heiko schwieg.
„Ich habe ihr nicht geglaubt“, fuhr Anna fort. „Ich dachte, sie spielt nur. Aber dann… begann sie Dinge zu sehen. Sie schrieb nachts. Briefe, Notizen. Manche davon habe ich nie geöffnet.“
„Wo sind sie?“
Anna sah ihn lange an. Dann sagte sie: „Im alten Sekretär. In meinem Zimmer.“
Heiko nickte. „Darf ich sie lesen?“
„Nicht alle“, sagte sie ruhig. „Aber vielleicht… einen. Ich bringe dir einen heute Abend.“
Sie wandte sich zur Tür, blieb dann stehen. „Danke, dass du dich kümmerst. Nicht nur um das Fenster.“
Heiko sah ihr nach, bis sie verschwunden war. Dann setzte er sich in den Sessel, genau so, wie er stand. Das Licht fiel nun direkt auf sein Gesicht.
Er holte sein Notizbuch heraus.
– Fenster 17: Symbol
– Gravur: drei Kreise
– Anna bestätigt: von Diana
– Verbindung zum Haus?
Dann legte er das Notizbuch beiseite, lehnte sich zurück und schloss die Augen.
Für einen Moment war alles still.
Dann hörte er ein Klopfen. Nicht an der Tür. Sondern am Fenster. Von außen.
Langsam öffnete er die Augen.
Draußen stand niemand. Nur der Baum, dessen Äste sich im Wind bewegten. Und doch… das Klopfen war real gewesen. Drei Mal. Dann Pause. Zwei Mal.
Heiko stand auf, trat ans Fenster, legte die Hand auf das Glas.
Ein Gefühl durchzuckte ihn – als würde jemand auf der anderen Seite stehen. Nicht sichtbar. Nicht greifbar. Aber da.
Und dann war es wieder still.
Er schloss das Fenster, sicherte es mit einer neuen Klammer und packte sein Werkzeug zusammen. Als er ging, war das Licht im Raum noch immer warm, beinahe freundlich.
Doch in seinem Inneren wusste Heiko: Dies war nicht nur ein Fenster. Es war eine Grenze. Und etwas auf der anderen Seite hatte zurückgeschaut.
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