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Episode 57: Ein Tag im Seeblick

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Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch die hohen Fenster des Hotel Seeblick und tauchten die Lobby in ein warmes, goldenes Licht. Es war ein typischer Morgen – der Duft von frisch gebrühtem Kaffee lag in der Luft, das Klappern von Geschirr aus dem Speisesaal vermischte sich mit den Stimmen der ersten Gäste, die sich an den Tischen unterhielten. Das Personal ging routiniert seiner Arbeit nach, bereit für einen neuen Tag im traditionsreichen Hotel.

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Heiko Lenzen stand am Rand der Lobby, eine Tasse Kaffee in der Hand, und beobachtete das Treiben mit ruhiger Aufmerksamkeit. Seit seiner Ankunft hatte er viel über das Hotel gelernt – nicht nur über seine Abläufe, sondern auch über seine Atmosphäre, seine Eigenheiten. Er wollte das Seeblick nicht nur als potenzieller neuer Besitzer verstehen, sondern als einen Ort, der mehr war als ein einfaches Hotel. Ein Haus mit Geschichte. Mit Charakter.

Anna kam aus der Küche, ein Klemmbrett in der Hand, und begrüßte ihn mit einem kurzen Lächeln. „Morgen, Heiko. Schon alles verinnerlicht, was du über das Seeblick wissen musst?“

Heiko schmunzelte. „Noch nicht ganz. Aber ich versuche, so viel wie möglich aufzunehmen.“

„Dann bist du heute genau richtig hier,“ sagte Anna. „Ich habe eine volle Liste mit Dingen, die du dir ansehen kannst. Oder du kannst dich einfach treiben lassen und sehen, was dir auffällt.“

„Ich nehme die zweite Option,“ sagte Heiko. „Ich möchte das Hotel aus der Sicht eines Gastes erleben, aber auch die Abläufe im Hintergrund kennenlernen.“

Anna nickte. „Dann viel Spaß beim Beobachten.“

Heiko schlenderte langsam durch das Hotel. Im Speisesaal herrschte geschäftiges Treiben – eine Familie mit zwei kleinen Kindern saß am Fenster und bestaunte die Aussicht auf den See, während ein älteres Ehepaar leise miteinander sprach und ihren Tee genoss. In einer Ecke saß ein Mann allein mit seiner Zeitung, das Frühstück halb vergessen vor ihm. Die Kellner bewegten sich flink zwischen den Tischen, nahmen Bestellungen auf, servierten dampfende Kaffeetassen und frische Brötchen.

Er bemerkte, wie jeder hier seine Rolle hatte. Die Gäste wurden mit Namen begrüßt, Stammgäste bekamen ihren Lieblingsplatz, und es gab ein feines Gleichgewicht zwischen Gastfreundschaft und unaufdringlicher Aufmerksamkeit. Er hatte in vielen Hotels übernachtet, aber das Seeblick war anders. Hier fühlte man sich nicht wie ein Kunde, sondern wie ein Teil einer größeren Geschichte.

Als Heiko weiter durch das Hotel ging, traf er auf **Fischer Petersen**, der gerade an der Rezeption stand und mit Anna sprach. Er hielt eine kleine Holzkiste in der Hand.

„Guten Morgen, Petersen,“ begrüßte Heiko ihn.

„Morgen, Heiko,“ brummte Petersen. „Ich habe da was für euch. Eine alte Seekarte. Sie zeigt einige Orte, die heute nicht mehr existieren. Vielleicht ist das nützlich für eure Nachforschungen.“

Anna nahm die Karte und betrachtete sie interessiert. „Woher hast du die?“

„Ein Freund von mir hat sie mir vor Jahren gegeben. Er meinte, sie könnte irgendwann wichtig werden.“ Petersen zuckte mit den Schultern. „Ich hab sie nie gebraucht, aber vielleicht könnt ihr damit was anfangen.“

Heiko beugte sich über die Karte. Die Linien waren verblasst, aber noch gut zu erkennen. Ein paar Markierungen stachen ihm ins Auge – darunter ein Punkt, der mitten im See lag.

„Das sieht interessant aus,“ murmelte er. „Vielleicht ein weiterer Hinweis?“

„Könnte sein,“ sagte Anna. „Aber erst einmal sollten wir uns um den Alltag kümmern.“

Heiko verbrachte den restlichen Vormittag damit, sich die Abläufe im Hotel genauer anzusehen. Er begleitete die Rezeptionistin für eine Weile, um zu verstehen, wie die Buchungen verwaltet wurden, schaute in der Küche vorbei und sprach mit dem Koch über die täglichen Herausforderungen in einem Hotel dieser Größe.

Am Nachmittag setzte er sich mit Anna auf die Veranda, wo sie gemeinsam einen Tee tranken und auf den See blickten.

„Und, was denkst du bisher?“ fragte Anna.

„Es ist faszinierend,“ sagte Heiko. „Ich habe Hotels immer als Geschäftsmodelle betrachtet – aber das hier ist anders. Es ist ein Zuhause für viele Menschen, selbst wenn sie nur für ein paar Tage hier sind.“

Anna nickte. „Genau das ist es. Und genau deshalb fällt mir die Entscheidung so schwer.“

Heiko verstand. Das Seeblick war mehr als nur ein Gebäude. Es war ein lebendiger Ort mit Erinnerungen, Geschichten und Menschen, die sich damit verbunden fühlten.

Während sie noch sprachen, bemerkten sie, dass sich am Ufer des Sees etwas regte. Ein paar Dorfbewohner hatten sich dort versammelt und diskutierten angeregt.

„Was ist jetzt wieder los?“ fragte Anna seufzend.

„Lass uns nachsehen,“ sagte Heiko.

Als sie am Steg ankamen, hörten sie, worum es ging.

„Es gibt wieder Licht auf dem Wasser,“ sagte ein Mann. „Nicht so stark wie zuvor, aber es ist da.“

„Und diesmal bewegt es sich,“ fügte eine Frau hinzu.

Anna warf Heiko einen Blick zu. Es schien, als würde der See nicht zulassen, dass sie sich zu lange nur mit dem Hotel beschäftigten.

„Vielleicht ist es an der Zeit, wieder aufs Wasser zu gehen,“ sagte Petersen langsam.

Heiko sah auf den See hinaus. Er war noch nicht sicher, was er mit dem Seeblick tun wollte – aber er wusste, dass er langsam Teil dieser Geschichte wurde. Und dass er die Wahrheit genauso sehr wissen wollte wie die anderen.

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