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Junger Mann steht vor einer Haustür mit einer Fensteransicht und hält ein Buch in der Hand.

Die Schatten von Flensburg

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Flensburg, Oktober 1984.
Die Stadt war grau an diesem Morgen, feucht vom Nebel, der zwischen den Giebeln der Altstadt hing. Die Backsteinhäuser schimmerten matt, und in den schmalen Gassen klang jedes Geräusch wie ein Geheimnis, das sich nicht vollständig offenbaren wollte.

Lukas Petersen – 27 Jahre alt, Archivstudent aus Hamburg – hatte einen Brief in der Jackentasche. Die Handschrift war alt, fein geschwungen, und der Name auf dem Umschlag verblasst: Elisabeth Falkenberg. Seine Großmutter.

Er hatte sie nie gekannt. Seine Mutter hatte nie viel über sie gesprochen, nur gesagt, dass Elisabeth „verschwunden“ sei. Nicht tot. Nicht weggezogen. Nur… nicht mehr da. Und niemand fragte je weiter.

Aber Lukas hatte gefragt. Und geforscht. Und war am Ende bei diesem Brief gelandet, datiert auf das Jahr 1949, geschrieben in Flensburg. Der Absender: anonym. Doch darin war eine Adresse erwähnt – Johannisstraße 22, Altbau, nahe der Johanniskirche.

Jetzt stand er davor.

Das Haus war schmal, drei Stockwerke, der Putz bröckelte. Im Erdgeschoss ein Friseursalon. Im oberen Fenster eine Katze. An der Tür: kein Name.

Er klingelte. Nichts.

Er klingelte ein zweites Mal. Eine ältere Dame öffnete einen Spalt.

„Ich suche… etwas über Elisabeth Falkenberg. Sie soll hier gewohnt haben. Vor Jahrzehnten.“

Die Frau sah ihn lange an. Dann sagte sie: „Kommen Sie.“

Im Flur roch es nach Bohnerwachs und Teer. Sie führte ihn eine knarrende Holztreppe hinauf. Im zweiten Stock hielt sie an, öffnete eine Tür.

„Das war ihr Zimmer. Seit zwanzig Jahren leer.“

„Warum?“

„Weil niemand sie ersetzen konnte.“

Der Raum war klein. Ein altes Bett, ein Schrank, ein Fenster mit Blick auf die Johanniskirche. Auf dem Fensterbrett: Ein eingeritztes Zeichen.

Drei Kreise.

„Sie hat viel geschrieben“, sagte die Frau. „Manchmal nachts. Und sie hatte einen Schlüssel zum Museum. Einen zweiten Eingang, unten am Hang.“

„Museumsberg?“

„Ja. Sie war oft dort. Im Keller.“


Lukas stand später an der Rückseite des Museumsbergs, zwischen Herbstlaub und altem Pflaster. Er hatte eine Skizze dabei, grob gezeichnet, mit der Notiz: „Bogenstein mit Rille – unter dem Apfelbaum“.

Er fand ihn.

Ein flacher Stein, eingelassen in die Mauer, fast unsichtbar. Als er mit den Fingern darüber fuhr, klickte etwas. Eine kleine Luke öffnete sich. Dahinter: ein Hohlraum. Dunkel. Staubig. Und darin: ein Stoffbeutel.

Er zog ihn heraus. Zitternd. Darin: ein Notizbuch, in Leder gebunden, mit Initialen: E.F.

Er schlug es auf.

Seiten voller Einträge. Skizzen vom See. Symbole. Namen. Anna. Diana. Petersen.

Ein Satz stach hervor:
„Das Gleichgewicht muss gewahrt bleiben. Nicht durch Macht. Durch Erinnerung.“

Lukas stand lange dort. Er wollte das Buch mitnehmen. Es dem Stadtarchiv geben. Oder der Universität.

Aber etwas hielt ihn zurück.

Er brachte es zurück in die Luke. Verschloss sie.
Vielleicht, dachte er, muss manche Erinnerung warten, bis sie gefunden werden will.


Später ging er durch die Holm-Passage. Kaufhäuser, Menschen, Stimmen. Doch er hörte nichts.
Nur den Wind, der durch die Gassen fuhr. Und eine Ahnung.
Dass Elisabeth nie verschwunden war.
Sondern nur auf etwas gewartet hatte.

Etwas – oder jemanden.

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