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Ein Gemälde zeigt Kinder, die einen Topf am Ufer untersuchen, und einen Mann, der einen Brief an einem Tisch liest.

Episode 75 – Der Wind über dem See

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Episode 75 – Der Wind über dem See

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Der Wind kam in Böen. Nicht laut, nicht wild – aber spürbar. Er fuhr durch die Bäume, ließ das Schilf am Ufer rauschen und legte kleine Falten auf das Wasser des Sankelmarker Sees. Mia stand mit verschränkten Armen auf dem Steg und sah hinaus. Ihre Haare flogen ihr ins Gesicht, doch sie machte keine Anstalten, sie zurückzustreichen.

„Der See ist anders, wenn es windet“, sagte sie leise.

Finn trat neben sie. „Letztes Mal war er still. Fast zu still.“

„Jetzt spricht er.“

Hinter ihnen hockten Jonas und Lea am Ufer. Sie hatten ein Stück Treibholz gefunden, das wie eine alte Boje aussah. Halb vermodert, mit einer eingekerbten Linie entlang des Rands.

„Siehst du das?“ fragte Jonas und zeigte auf eine Stelle an der Unterseite. Drei Kreise, eingeritzt. Wieder dieses Symbol.

Lea nickte. „Es ist überall. Als hätte jemand das gesamte Ufer damit markiert.“

Jonas drehte die Boje. In der Mitte, fast verwittert, war ein Buchstabe. Ein „D“. Oder war es nur ein Kratzer?

„Diana?“ murmelte Lea.

Jonas sagte nichts. Er betrachtete das Holzstück, als könne es ihm antworten. Dann legte er es vorsichtig zurück ins Wasser. Es trieb langsam davon, drehte sich einmal im Wind – und blieb dann, als wäre es verankert.


Zur gleichen Zeit saß Heiko im Leseraum des Hotels. Der Kamin war an, das Holz knackte leise. Anna trat ein, eine Tasse in der Hand. Sie legte einen großen braunen Umschlag auf den Tisch.

„Kam heute aus Flensburg“, sagte sie. „An dich adressiert. Vom Notar.“

Heiko sah sie an. „Ich habe nichts beantragt.“

„Vielleicht jemand für dich“, sagte Anna. Doch ihre Stimme war anders. Leiser. Vorsichtiger.

Heiko öffnete den Umschlag. Darin: mehrere Blätter. Ein Auszug aus dem Katasteramt. Der historische Grundriss des Hotels. Eine alte Besitzerliste. Und ein Brief.

„Sehr geehrter Herr Lenzen, im Zuge der juristischen Überprüfung der Eigentumsverhältnisse wurden Dokumente aufgefunden, die mit dem ursprünglichen Besitzstand der Familie Falkenberg in Verbindung stehen. Wir bitten um vertrauliche Behandlung. Weitere Details können im persönlichen Gespräch geklärt werden.“

Darunter ein Name, den Heiko nicht kannte. Doch Anna blass wurde.

„Er war Dianas Anwalt“, sagte sie schließlich. „Damals. Bevor sie ging.“

„Was hat das zu bedeuten?“

„Ich weiß es nicht. Aber wenn er dir schreibt, dann… bedeutet es etwas.“

Heiko legte die Blätter auf den Tisch, sah sie lange an. Dann drehte sich sein Blick zum Fenster.

Der Wind fuhr durch die Bäume.


Am See spürte Mia, wie sich etwas veränderte. Kein Geräusch, kein Licht – nur das Gefühl, dass der Wind etwas mit sich brachte. Nicht Kälte. Sondern Information.

„Was, wenn der See uns prüft?“ fragte sie plötzlich.

Finn sah sie fragend an.

„Was, wenn er nicht jeden Ort zeigt – sondern nur dann, wenn wir bereit sind?“

Jonas kam zu ihnen. „Dann brauchen wir Geduld. Und Stille.“

„Und Vertrauen“, sagte Lea. „Dass wir nicht alles sofort wissen müssen.“

Sie setzten sich auf den Steg. Der Wind wurde kräftiger. Kleine Wellen schlugen gegen das Holz. Die Boje war noch immer sichtbar, ein dunkler Punkt im hellen Wasser.

„Ich glaube, es gibt noch mehr“, sagte Jonas. „Nicht nur Symbole. Vielleicht… ein Rhythmus.“

„Ein Muster?“ fragte Finn.

„Wie bei einem Lied. Oder einem Code.“

Mia zog ihr Notizbuch heraus. „Dann müssen wir lernen, zuzuhören.“


Im Hotel nahm Heiko die Papiere mit in sein Zimmer. Er legte sie auf den Schreibtisch, faltete sie auf. Die Namen, die Daten, die Linien auf dem Grundriss – alles wirkte wie ein vergessener Stammbaum, der plötzlich Äste bekam.

Ein Name fiel ihm ins Auge. Albrecht Falkenberg.
Vermerkt als „Besitzer bis 1959“. Danach: Verwalterin: Anna F. – kein Nachname, nur der Buchstabe.

„Anna Falkenberg?“, fragte er sich halblaut.

Er klappte das Notizbuch auf, das er seit Tagen mit sich führte. Und zum ersten Mal schrieb er keine To-do-Liste.

Er schrieb eine Frage:
Wer war Anna – bevor sie das Hotel wurde?

Der Wind klopfte leise an die Fensterscheibe. Und Heiko begann zu verstehen, dass nicht alles, was Vergangenheit war, still blieb.


Am See standen die Kinder auf. Jonas blickte zum Horizont, wo die Sonne langsam unterging.

„Morgen gehen wir zur Insel“, sagte er.

„Wenn es sie gibt“, sagte Finn.

Jonas nickte. „Oder wenn sie uns lässt.“

Die Boje drehte sich.
Und der Wind trug ein leises Echo über das Wasser.

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