Zurück zu Geschichten aus dem Hotelalltag

Episode 76 – Die Insel, die nicht da ist

Episode 76 – Die Insel, die nicht da ist Atmosphäre, boot, Echo, Finn, Gleichgewicht, Insel, Jonas, Karte, Kompass, Lea, Mia, Petersen, See, Steinring, Struktur unter Wasser, Vergangenheit
Jetzt nichts mehr rund um den Sankelmaker See und unser Hotel verpassen!

Episode 76 – Die Insel, die nicht da ist

Alle bisher veröffentlichen Episoden

Es war ein klarer, kalter Vormittag, als die vier Kinder wieder am See standen. Der Himmel war bleich, die Luft so still, dass jedes Geräusch – ein Tritt im Kies, ein Husten vom Steg – unnatürlich laut wirkte. Die Karte lag auf einer Holzbohle, beschwert mit einem Stein. Jonas hatte den Punkt eingekreist, von dem der Antiquar gesprochen hatte: der „Ort der Rückkehr“. Eine Insel, die auf keiner modernen Karte mehr verzeichnet war.

„Wenn es sie wirklich gibt“, sagte Lea, „dann müssen wir es heute herausfinden.“

„Oder zumindest, ob sie jemals da war“, ergänzte Finn und kontrollierte die Batterie seiner Armbanduhr, an der ein kleiner Kompass befestigt war.

„Petersen wird uns nicht helfen“, meinte Mia. „Nicht freiwillig.“

Aber als sie die Bootshütte erreichten, stand der alte Fischer bereits vor der Tür. Er hatte einen langen Mantel an, die Mütze tief in die Stirn gezogen, und eine Kanne dampfenden Kaffee in der Hand.

„Ihr wollt raus“, sagte er ohne Umschweife.

„Nur ein Stück“, antwortete Jonas. „Wir rudern selbst. Wir wollen nur… sehen.“

Petersen musterte sie, dann sah er auf den See hinaus.

„Ich war mal dort“, sagte er. „Oder zumindest nah dran. Vor vierzig Jahren. Mein Vater sagte, es gäbe eine Stelle, wo das Wasser anders ist. Weicher. Tiefer. Er nannte es ‘das Echobecken’.“

„Was ist da?“

„Nichts. Und das ist das Seltsame.“

Er gab ihnen ein kleines Ruderboot, zwei Paddel, eine Rettungsweste. „Nicht zu weit raus. Und wenn die Möwen verschwinden – kehrt um.“

Sie versprachen es. Und doch wussten sie, dass sie nicht umkehren würden.


Das Wasser war ruhig. Kein Wind, kaum Wellen. Nur das gleichmäßige Plätschern der Paddel.

Jonas saß vorn, hielt die Karte in der Hand. Mia hatte die Koordinaten mit einem Lineal übertragen. Lea hielt den Kompass im Blick, Finn die Richtung.

„Noch fünfzig Meter“, sagte Finn.

Sie ruderten langsam weiter. Das Ufer verschwand allmählich hinter einer dünnen Nebelschicht. Kein starker Nebel – nur ein Schleier, wie eine Erinnerung, die sich nicht ganz abschütteln lässt.

„Hier müsste es sein“, sagte Mia.

Sie legten die Ruder ins Boot. Für einen Moment war alles still.

Dann begann der Kompass zu kreisen.

„Was zum…?“ Finn hob die Uhr, aber die Nadel bewegte sich unkontrolliert im Kreis.

„Magnetfeld?“ fragte Lea.

„Oder etwas darunter“, murmelte Jonas.

Er beugte sich über die Reling. Das Wasser war klarer als erwartet. Er sah keine Fische, keine Pflanzen – nur Dunkelheit. Und dann: Etwas. Eine Struktur. Gerade Linien. Ein Kreis?

„Da ist etwas!“

Alle beugten sich vor.

„Ich sehe… Steine?“, sagte Mia.

„Ein Ring“, sagte Jonas. „Ein Ring unter Wasser.“

Lea holte die Taucherbrille aus dem Rucksack. Sie hatte sie vorsorglich eingepackt. Jonas schnappte sie sich, zog die Jacke aus, kniete sich am Bootsrand.

„Was machst du?“ fragte Mia.

„Ich will wissen, ob es echt ist.“

Er tauchte. Nur wenige Sekunden. Aber als er wieder auftauchte, war sein Blick verändert.

„Es ist da“, sagte er. „Ein Kreis aus Steinen. Wie ein Fundament. Fast versunken.“

„Dann war dort wirklich etwas“, flüsterte Lea.

Sie zogen Kreise um die Stelle, machten Fotos mit dem Handy, dokumentierten alles.

Doch dann – plötzlich – zog eine Böe über den See. Schnell. Heftig.

Das Boot schwankte. Eine Möwe schrie. Der Kompass sprang zurück auf Norden.

Und das Wasser wurde still.

Zu still.

„Wir sollten zurück“, sagte Finn.

„Noch nicht“, sagte Jonas. „Nur noch eine Minute.“

Doch es blieb still. Das Boot trieb. Die Möwen waren verschwunden.


Als sie wieder am Ufer waren, war der Himmel dunkler. Petersen stand schweigend an der Hütte. Als sie das Boot vertäuten, sagte er nur:

„Ihr habt sie gespürt, nicht wahr?“

„Was?“

„Die Grenze. Zwischen dem, was war, und dem, was man nicht zurückholen sollte.“

Jonas nickte langsam.

„Dann vergesst nicht: Der See erinnert sich. Aber nicht alles, was er erinnert, vergibt.“


Am Abend saßen sie im Hotel, auf der Veranda, die Karte ausgebreitet, das Foto des Steinrings daneben.

Anna trat zu ihnen. „Ihr wart an der Stelle?“

Jonas nickte.

„Dann habt ihr ihn berührt. Den Mittelpunkt.“

„Was ist dort?“

Anna sah hinaus auf den See.

„Das, was früher gehalten hat, was jetzt zu kippen beginnt.“

Und wieder wurde es still.

Beitrag teilen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Zurück zu Geschichten aus dem Hotelalltag

🐳  Einzigartige Produkte  |  😘   Kundenorientierter Service  |  👍  tolle Qualität  |  🫵  günstige Preise  |  🚚   ab 20€ Bestellwert nur 2,49€ Versand  |  🚛   ab 50€ Bestellwert kostenfreier Versand

🐳  Einzigartige Produkte  |  😘   Kundenorientierter Service  |  👍  tolle Qualität  |  🫵  günstige Preise  |  🚚   ab 20€ Bestellwert nur 2,49€ Versand  |  🚛   ab 50€ Bestellwert kostenfreier Versand