Episode 80 – Rückkehr zur Johanniskirche (Flensburg)

Die Busfahrt nach Flensburg zog sich in die Länge. Der Himmel war bleiern, und feiner Nieselregen tupfte gegen die beschlagenen Fensterscheiben. Jonas, Mia, Finn und Lea saßen zusammen auf einer Viererbank, die Karte auf Jonas’ Schoß ausgebreitet.
Alle bisher veröffentlichen Episoden
- Episode 83 – Der Pfad an der Dorfstraße (Sankelmark)
- Episode 82 – Das Gespräch auf dem Südermarkt
- Die Spur zur Alten Schmiede (Sankelmark)
- Episode 80 – Rückkehr zur Johanniskirche (Flensburg)
- Episode 79 – Das verschwundene Zeichen
- Episode 78 – Das Flüstern im Laub
- Episode 77 – Die Nachricht im Stein
- Die Schatten von Flensburg
- Episode 76 – Die Insel, die nicht da ist
- Episode 75 – Der Wind über dem See
- Episode 74 – Das Gleichgewicht verschiebt sich
- Episode 73 – Die Karte im Antiquariat
- Episode 72 – Heiko im Kiek In
- Episode 71 – Rückkehr an den Steg
- Episode 70 – Das Fenster im Dorf
- Episode 69 – Die unterbrochene Linie
- Episode 68 – Heiko und das Fenster
- Episode 67 – Die Notiz auf dem Umschlag
- Episode 66 – Jonas hat eine Vermutung
- Episode 65 – Die Geräusche im Flur
- Episode 64 – Stimmen im Flur
- Episode 63 – Der Staub vergangener Jahre
- Episode 62: Das Gleichgewicht
- Episode 61: Das Flüstern im Laub
- Episode 60: Das Zeichen am Ufer
- Die Spur der Falkenbergs
- Die verlorene Verbindung
- Das alte Versprechen
- Der verschwundene Gast
- Das erste Jahr im Seeblick
- Episode 58: Ein neuer Blick auf das Seeblick
- Episode 57: Ein Tag im Seeblick
- Episode 56: Ein stiller Beobachter
- Episode 55: Heiko entdeckt Sankelmark
- Episode 54: Ein leiser Wandel
- Episode 53: Die Ankunft der Familie Lenzen
- Episode 52: Das vergessene Gutshaus
- Episode 51: Die verborgenen Aufzeichnungen
- Episode 50: Verborgene Pfade
- Episode 49: Die Inschrift in der Kirche
- Episode 48: Die Reise nach Oeversee
- Episode 47: Das Echo der Glocke
- Episode 46: Die Glocke aus der Tiefe
- Episode 45: Die Fahrt ins Unbekannte
- Episode 44: Die Spur auf dem See
- Episode 43: Begegnungen in Oeversee
- Episode 42: Der Blick durch das Fernrohr
- Episode 41: Die Spur im Hafen
- Episode 40: Die Karte der Vergangenheit
- Episode 39: Das vergessene Ufer
- Episode 38: Der Kompass des Vergessens
- Episode 37: Der Fund am Morgen
- Episode 36: Die Botschaft aus der Tiefe
- Episode 35: Das Licht im Wasser
- Episode 34: Grenzen und Konsequenzen
- Episode 33: Das Echo des Sees
- Episode 32: Ein Tag in Sankelmark
- Episode 31: Das Geheimnis im Schilf
- Episode 30: Zwischen Alltag und Ungewissheit
- Was bisher geschah - was geschehen wird
- Episode 29: Das Grollen aus der Tiefe
- Episode 28: Das Echo aus der Tiefe
- Jonas und sein Geheimnis
- Episode 27: Ein spannender Alltag im Hotel Seeblick
- Episode 26: Schatten über dem See
- Episode 25: Das Grollen aus der Tiefe
- Episode 24: Die Warnung aus der Tiefe
- Episode 23: Anna und die Stimmen der Vergangenheit
- Zwischenerzählung: Anna und der Ruf des Seeblick
- Episode 22: Das verschwundene Zeichen
- Episode 21: Das Echo der Vergangenheit
- Was bisher geschah: Die Geheimnisse des Sankelmarker Sees
- Episode 20: Die Wächter des Sees
- Episode 19: Das Echo der Glocke
- Episode 18: Der Fremde und die Wahrheit im Nebel
- Episode 17: Das Rätsel der Kristalle
- Episode 16: Ein Rätsel im Dorf
- Episode 15: Ein lebhafter Tag im „Seeblick“
- Anna und die Stimmen der Vergangenheit
- Episode 14: Der verborgene Tunnel
- Episode 13: Verborgene Wahrheiten im Hotel
- Episode 12: Das Tagebuch des Fremden
- Episode 11: Die Spur im Nebel
- Was bisher geschah rund um den Sankelmarker See: Die Reise ins Unbekannte
- Episode 10: Der erste markierte Punkt
- Episode 9: Annas Sorgen und neue Pläne
- Tauche ein in die Geheimnisse des Sankelmarker Sees – per WhatsApp!
- Episode 8: Das verborgene Zimmer
- Episode 7: Die Akademie Sankelmark
- Episode 6: Die Lichter auf dem See
- Episode 5: Die Gravuren im Nebel
- Episode 4: Das verlorene Boot
- Episode 3: Symbole im Arnkielpark
- Episode 2: Das Kiek In und die ersten Geschichten
- Episode 1: Annas Neuanfang
- Das Bullauge der Zeit
„Johanniskirche“, murmelte Mia. „Südergraben. Gleich am Holm vorbei.“
„Was suchen wir da eigentlich?“ fragte Finn.
Jonas sah ihn an. „Vielleicht nichts. Vielleicht etwas, das uns den letzten Teil zeigt.“
Sie stiegen am Südermarkt aus. Der Platz war nass, die Pflastersteine glänzten im grauen Licht. Sie gingen vorbei an den alten Häusern am Holm, wo die Fenster noch voller herbstlicher Dekoration waren, weiter den Südergraben hinauf.
Die Johanniskirche lag ruhig da, halb versteckt von alten Bäumen. Ihr Backstein wirkte schwer, fast wie ein Herz, das Erinnerungen bewahrt.
„Hier war sie also“, sagte Lea leise.
„Elisabeth Falkenberg“, ergänzte Jonas.
Sie traten ein. Der Kirchraum war kühl, der Duft von Holz und altem Stein hing in der Luft. Niemand außer ihnen war da. Leise gingen sie durch die Reihen der Holzbänke.
„Was suchen wir?“ flüsterte Finn.
„Zeichen“, sagte Mia. „Immer Zeichen.“
Jonas blieb an einer Bankreihe rechts vom Mittelgang stehen. Er fuhr mit der Hand über die Lehne – und stoppte.
„Hier“, sagte er.
In das Holz, von Jahren der Berührung geglättet, war eine kleine Gravur eingeritzt. Drei Kreise. Unauffällig. Kaum sichtbar.
„Das kann kein Zufall sein“, murmelte Lea.
Sie machten Fotos, zeichneten das Symbol ab.
Am Ausgang entdeckte Finn eine alte Besucherchronik. Ein dickes Buch, auf einem kleinen Tisch neben einem Stapel Infobroschüren.
Er blätterte durch die vergilbten Seiten. Namen, Daten, Sprüche.
Dann, auf einer Seite von 1946:
„E.F. – Ort der Rückkehr – Balance halten.“
„Sie war hier“, sagte Mia.
„Vielleicht haben sie hier gewartet“, überlegte Jonas. „Aufeinander. Auf ein Zeichen.“
Draußen hatte der Regen aufgehört. Sie standen einen Moment schweigend vor der Kirche, die Hände tief in den Taschen.
„Zurück zum Holm?“ schlug Lea vor.
Sie liefen durch die Gassen, vorbei an kleinen Läden, an alten Gasthäusern. Der Wind trug den Geruch von Salz und Geschichte mit sich.
An der Ecke zur Holm-Passage blieb Jonas stehen.
„Seht ihr das?“ fragte er.
An einer Hauswand, halb von Efeu überwachsen, war ein kleiner, verwitterter Kreis in den Putz geritzt. Fast unkenntlich. Aber er war da.
„Sie haben Spuren hinterlassen“, sagte Mia. „Überall.“
„Nicht für alle sichtbar“, ergänzte Finn.
„Nur für die, die zuhören“, sagte Lea.
Zur gleichen Zeit ging Heiko durch Sankelmark, die Hände tief in den Manteltaschen. Er war an der Dorfstraße gestartet, vorbei an der alten Schmiede, dann am Haus Am See entlang, Richtung Hotel.
Er spürte es – die veränderte Stimmung. Der Bäcker grüßte kurz, aber nicht wie sonst. Auf dem kleinen Platz vor der Kirche standen Frau Meier und zwei andere Dorfbewohnerinnen und redeten gedämpft.
Als er grüßte, verstummten sie kurz. Dann nickten sie höflich.
Heiko blieb nicht stehen. Er verstand: Hier wurde gewogen. Beobachtet. Abgewartet.
Am Ufer des Sankelmarker Sees stand der Wind still. Das Wasser kräuselte sich kaum. Auf der anderen Seite sah er die alte Bootshütte, in der die Kinder oft verschwanden, wenn sie glaubten, niemand sähe sie.
Er dachte an Anna. An das, was sie nie sagte, aber immer wusste.
Vielleicht, dachte er, musste man nicht alles erklären.
Manches musste man einfach bewahren.
Am Abend saßen die Kinder wieder im Leseraum des Hotels.
Die Fotos lagen ausgebreitet auf dem Tisch: die Gravur auf der Kirchenbank, der Eintrag in der Chronik, der verwitterte Kreis am Holm.
„Wir sind nah dran“, sagte Jonas.
„Aber woran?“ fragte Finn.
Anna trat in den Raum. Sie sah sich die Bilder an, nickte langsam.
„An der Grenze“, sagte sie leise.
„Zwischen was?“ fragte Mia.
„Zwischen dem, was erinnert wird“, sagte Anna, „und dem, was vergessen werden will.“
Es wurde still.
Draußen heulte der Wind auf.
Und irgendwo, tief in der Nacht, schlug eine Glocke – einmal.
Nur einmal.
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