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Episode 82 – Das Gespräch auf dem Südermarkt

Der Südermarkt lag ruhig an diesem Vormittag. Die Pflastersteine glänzten noch feucht vom Regen der Nacht, und zwischen den Fassaden der alten Bürgerhäuser lag eine sanfte Herbstsonne. Es war einer jener Tage, an denen Flensburg wie eine Stadt aus einer anderen Zeit wirkte – nicht fremd, nur weiter weg von allem, was eilte.

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Jonas war allein unterwegs. Die anderen hatten sich aufgeteilt. Mia und Lea waren Richtung Nordermarkt gegangen, Finn wollte zum Hafen.

Jonas hatte keine bestimmte Absicht. Er ließ sich treiben. Das Notizbuch in seiner Jackentasche war schwerer geworden. Nicht durch Gewicht – durch Bedeutung.

Er setzte sich auf eine Bank nahe der Kirche St. Nikolai. Der Turm war in das Licht getaucht, das durch die bunten Fenster fiel. Er beobachtete die Menschen – keine Touristen, nur Stadtleben. Eine ältere Frau fegte die Stufen vor dem Café, ein Mann mit Zeitung setzte sich auf eine Bank gegenüber, ein Lieferwagen bog in die Große Straße ein.

Dann setzte sich jemand neben ihn.

Ein älterer Herr. Dichtes, weißes Haar, ein dunkler Mantel, eine kleine Tasche auf dem Schoß. Er sah Jonas nicht an. Sagte erst einmal nichts.

Dann, nach einer Minute:
„Sie suchen etwas, das nicht gefunden werden will.“

Jonas drehte den Kopf. Der Mann lächelte schwach.
„Ich kenne diesen Blick“, sagte er. „Sie hören zu, ohne zu fragen. Das ist selten.“

Jonas sagte nichts.

Der Mann griff in seine Tasche. Holte ein kleines, rundes Medaillon hervor. Alt, abgegriffen, mit einer Gravur. Drei Kreise. Und etwas darunter, das Jonas nicht kannte: zwei Punkte, verbunden durch eine Linie.

„Manche Dinge brauchen zwei Kreise“, sagte der Mann. „Einen zum Erinnern. Einen zum Handeln.“

Er legte Jonas das Medaillon in die Hand.
„Ich war wie Sie. Vor langer Zeit.“

„Wer sind Sie?“

„Jemand, der zu früh aufgehört hat.“

Dann stand er auf. Ging.
Jonas blieb sitzen, das Medaillon in der Hand.

Mia und Lea saßen auf der Mauer am Nordermarkt. Sie tranken Apfelschorle aus Flaschen, die sie in der Marienstraße gekauft hatten. Die Menschen gingen vorbei, lachten, redeten. Doch ihr Blick war auf eine Frau gerichtet, die auf der gegenüberliegenden Bank saß.

Sie war alt. Trug ein dunkles Tuch, hatte ein kleines Notizbuch auf dem Schoß, in das sie schrieb. Immer wieder sah sie auf – nicht direkt zu den Mädchen, aber in ihre Richtung.

„Sie wirkt… bekannt“, sagte Lea leise.

„Ich habe sie noch nie gesehen“, meinte Mia. „Aber sie fühlt sich nicht fremd an.“

Die Frau legte das Notizbuch zur Seite, stand auf, ging zur kleinen Bücherkiste am Brunnenrand – eine dieser offenen Tauschstellen – und legte das Buch hinein.

Dann verschwand sie in einer Seitenstraße. Große Straße, Richtung Holm.

Mia und Lea liefen zum Brunnen. In der Kiste lag das Buch. Sie nahmen es vorsichtig heraus.

Auf der Innenseite: ein Zeichen.
Drei Kreise. Und ein Satz:

„Das Wasser erinnert mehr als der Stein.“

Am Abend trafen sie sich alle wieder im Leseraum des Hotels Seeblick. Jonas legte das Medaillon auf den Tisch, Mia das Buch.

„Wir sind nicht allein“, sagte Lea.

„Aber wir sind dran“, ergänzte Finn.

Heiko kam herein. Er sah die Objekte, die Gesichter.

„Ihr wart in Flensburg“, sagte er.

„Ja“, sagte Jonas. „Und der See weiß es.“

Heiko sah hinaus.
Draußen leuchtete der Himmel über dem Sankelmarker See in den letzten Farben des Tages.
Und unter der Oberfläche – wusste niemand – bewegte sich etwas.
Langsam.
Geduldig.
Bereit.

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