Episode 10: Der erste markierte Punkt
Alle bisher veröffentlichen Episoden
- Episode 12: Das Tagebuch des Fremden
- Episode 11: Die Spur im Nebel
- Was bisher geschah rund um den Sankelmarker See: Die Reise ins Unbekannte
- Episode 10: Der erste markierte Punkt
- Episode 9: Annas Sorgen und neue Pläne
- Tauche ein in die Geheimnisse des Sankelmarker Sees – per WhatsApp!
- Episode 8: Das verborgene Zimmer
- Episode 7: Die Akademie Sankelmark
- Episode 6: Die Lichter auf dem See
- Episode 5: Die Gravuren im Nebel
- Episode 4: Das verlorene Boot
- Episode 3: Symbole im Arnkielpark
- Episode 2: Das Kiek In und die ersten Geschichten
- Episode 1: Annas Neuanfang
- Das Bullauge der Zeit
Der Morgen am Sankelmarker See begann wie gemalt. Die Sonne stieg langsam über die Baumkronen, und ein zarter Nebelschleier legte sich über das ruhige Wasser. Lukas, Mia, Finn und Lea standen am Ufer und prüften zum letzten Mal ihre Ausrüstung. Die Karte mit den markierten Punkten lag sorgfältig gefaltet in Mias Tasche. Finn hatte eine Taschenlampe und seine Kamera dabei, Lea trug ein Notizbuch und eine kleine Flasche Wasser, und Lukas hielt ein kleines Schweizer Taschenmesser in der Hand. Sie waren bereit für ihr erstes richtiges Abenteuer.
„Also, das ist der Punkt auf der Karte, oder?“ fragte Finn und zeigte auf den markierten Bereich am Seeufer.
Mia nickte. „Ja, laut der Karte sollte hier etwas sein. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht nur ein weiterer Stein ist.“
„Vielleicht ist es ein geheimer Zugang oder etwas Vergrabenes“, schlug Lea vor. „Aber was auch immer es ist, wir finden es.“
Lukas grinste. „Ich wette, es wird großartig. Und wenn nicht, haben wir zumindest eine Geschichte zu erzählen.“
Die Kinder folgten einem schmalen Pfad, der sich durch den Wald schlängelte. Die Vögel zwitscherten, und das Rascheln der Blätter unter ihren Füßen mischte sich mit dem Geräusch des Sees, das leise durch die Bäume drang. Sie hatten noch nicht lange gesucht, als sie auf etwas stießen, das ihre Aufmerksamkeit erregte.
„Schaut mal da vorne“, sagte Lea und zeigte auf eine halb verfallene Hütte, die am Rand des Waldes stand. Sie war alt und verwittert, mit einem Dach, das an mehreren Stellen eingebrochen war. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt, und die Tür hing schief in den Angeln.
„Das sieht definitiv aus, als hätte hier schon lange niemand mehr gewohnt“, sagte Mia und blieb einen Moment stehen, um die Szenerie auf sich wirken zu lassen.
„Vielleicht hat das etwas mit den Ritualen zu tun, von denen Frau Lund gesprochen hat“, sagte Lukas und ging vorsichtig näher.
Finn machte ein Foto von der Hütte und den umliegenden Bäumen. „Das hier wirkt nicht zufällig. Es sieht aus, als hätte jemand diese Hütte absichtlich verlassen.“
„Oder als ob sie plötzlich gehen mussten“, fügte Lea hinzu, während sie um die Hütte herumging.
Die Kinder zögerten einen Moment, bevor sie die Hütte betraten. Der Boden unter ihren Füßen knarrte laut, und die Luft im Inneren war kalt und feucht. An den Wänden hingen alte Werkzeuge, die mit einer dicken Staubschicht bedeckt waren. In einer Ecke entdeckten sie eine Truhe, die fast vollständig unter einem Stapel alter Decken versteckt war.
„Das ist es“, flüsterte Lukas. „Da ist bestimmt etwas Wichtiges drin.“
„Warte, wir sollten erst nachsehen, ob es sicher ist“, sagte Mia und leuchtete mit ihrer Taschenlampe um die Truhe herum. Nichts deutete auf eine Falle oder Gefahr hin, also hoben sie die Decken vorsichtig weg.
Die Truhe war aus Holz, die Ränder mit rostigem Metall verstärkt. Finn versuchte, den Deckel zu öffnen, doch er war verschlossen. „Wir brauchen einen Schlüssel“, murmelte er und sah sich um.
„Vielleicht ist er irgendwo hier versteckt“, sagte Lea und begann, die Umgebung abzusuchen. Sie fand ein kleines Kästchen auf einem der Regale, das ebenfalls verstaubt war. Darin lag ein alter, schwerer Schlüssel. „Das muss er sein.“
Lukas nahm den Schlüssel und steckte ihn ins Schloss der Truhe. Mit einem leisen Klick sprang das Schloss auf, und sie öffneten vorsichtig den Deckel.
Im Inneren fanden sie alte Dokumente, ein verstaubtes Tagebuch und ein kleines Metallobjekt, das wie eine Glocke aussah. „Das ist keine normale Glocke“, sagte Mia und hob sie vorsichtig heraus. „Sie sieht aus, als hätte sie eine besondere Bedeutung.“
Finn nahm eines der Dokumente und begann, die vergilbte Schrift zu entziffern. „Hier steht etwas über die Wächter und die Balance des Wassers. Es klingt wie eine Anleitung für ein Ritual oder vielleicht eine Warnung.“
„Das passt zu dem, was wir bisher gehört haben“, sagte Lukas. „Aber warum wurde die Glocke hier versteckt?“
„Vielleicht wollten sie nicht, dass sie in die falschen Hände gerät“, sagte Lea nachdenklich.
„Oder sie wussten, dass sie gefährlich ist“, fügte Mia hinzu. „Was, wenn sie benutzt werden kann, um das Gleichgewicht zu stören, statt es zu bewahren?“
Die Kinder verbrachten noch eine Weile damit, die Dokumente zu durchsuchen und Notizen zu machen. Finn fotografierte alles, während Mia einige wichtige Passagen aus dem Tagebuch abschrieb. Es enthielt Einträge von jemandem, der in der Hütte gelebt hatte und versucht hatte, den See vor etwas zu schützen, das er nur „die Dunkelheit“ nannte.
„Wir müssen diese Dokumente mit Frau Lund besprechen“, sagte Mia, während sie das Tagebuch vorsichtig zusammenklappte. „Sie könnte uns helfen, die Zusammenhänge zu verstehen.“
„Und was machen wir mit der Glocke?“ fragte Finn.
„Wir nehmen sie mit“, sagte Lukas. „Aber wir müssen vorsichtig sein. Was, wenn sie wirklich eine Art Schlüssel ist?“
Als die Kinder die Hütte verließen, bemerkten sie etwas Seltsames. Der Nebel, der am Morgen verschwunden war, kehrte plötzlich zurück und hüllte die Umgebung in eine gespenstische Stille. Es fühlte sich an, als hätte der See sie beobachtet und auf ihre Entdeckung reagiert.
„Habt ihr das bemerkt?“ flüsterte Lea und sah sich nervös um.
„Ja“, murmelte Lukas. „Es fühlt sich an, als wäre hier etwas passiert, das wir nicht ganz verstehen.“
„Vielleicht sollten wir uns beeilen und zurück zum Hotel gehen“, sagte Mia. „Wir müssen herausfinden, was das alles bedeutet, bevor wir etwas falsch machen.“
Zurück im Hotel „Seeblick“ breiteten die Kinder ihre Funde auf einem der Tische in der Lobby aus. Anna, die gerade in ihrem Büro gearbeitet hatte, kam neugierig dazu. „Was habt ihr diesmal gefunden?“ fragte sie und betrachtete die Dokumente und die kleine Glocke.
Die Kinder erklärten ihr, was sie entdeckt hatten, und Anna hörte aufmerksam zu. „Das klingt, als würdet ihr etwas wirklich Wichtiges herausfinden“, sagte sie schließlich. „Aber seid vorsichtig. Manche Geheimnisse sind gefährlicher, als sie erscheinen.“
„Das haben wir auch bemerkt“, sagte Mia. „Aber wir sind so nah dran, die Wahrheit über den See zu erfahren. Wir können jetzt nicht aufhören.“
„Dann versprecht mir, dass ihr vorsichtig seid“, sagte Anna und legte eine Hand auf die Schulter von Lukas. „Und sagt mir Bescheid, wenn ihr etwas braucht.“
Die Kinder nickten, und als Anna sich zurückzog, fühlten sie sich gestärkt. Sie wussten, dass sie auf etwas Großem waren, etwas, das die Geschichte des Sees und vielleicht sogar die Zukunft des Hotels verändern könnte.
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