Der Nachmittag war warm, und das kleine Dorf rund um den Sankelmarker See schien in einer friedlichen Stille zu liegen. Die Kinder liefen die schmale Straße entlang, die zum „Kiek In“ führte. Das Café lag wie immer einladend mitten im Dorf, umgeben von alten Bäumen, die sanften Schatten auf die Fassade warfen. Über der Tür hing das vertraute, leicht verblasste Holzschild mit der geschwungenen Aufschrift „Kiek In“.

„Hoffentlich kann Frau Alva uns etwas über die Markierung auf der Karte erzählen“, sagte Mia, während sie die Karte noch einmal aufrollte. „Sie hat immer die besten Geschichten.“

„Und vielleicht kennt sie auch den seltsamen Punkt in der Nähe des Cafés“, fügte Lea hinzu.

„Was, wenn es nur eine alte Scheune ist?“ fragte Finn skeptisch.

„Dann wird es die spannendste alte Scheune, die wir je gesehen haben“, sagte Lukas mit einem Grinsen.

Als sie das Café betraten, empfing sie der vertraute Duft von frisch gebackenem Kuchen und Kaffee. Frau Alva stand hinter dem Tresen und wischte gerade eine alte Teekanne ab, als sie die Kinder bemerkte. „Ah, meine Lieblingsabenteurer! Was verschlägt euch heute hierher?“

„Wir brauchen Ihre Hilfe, Frau Alva“, sagte Mia und breitete die Karte auf einem der Tische aus. Die Kinder setzten sich, und Alva kam mit einer dampfenden Kanne Tee herüber.

„Was habt ihr da?“ fragte sie neugierig, während sie sich zu ihnen setzte.

„Das ist eine Karte des Sees“, erklärte Mia. „Und hier, direkt in der Nähe des ‚Kiek In‘, ist ein markierter Punkt. Wissen Sie etwas darüber?“

Alva nahm die Karte und betrachtete sie aufmerksam. „Das ist interessant“, murmelte sie. „Dieser Bereich… ja, ich erinnere mich. Früher gab es dort eine alte Scheune, die zu einem Bauernhof gehörte. Aber der Hof wurde schon vor Jahrzehnten aufgegeben.“

„Wissen Sie, ob dort etwas Besonderes war?“ fragte Lukas.

Alva lehnte sich zurück und strich nachdenklich über das Holz des Tisches. „Es gibt eine alte Geschichte, die mein Großvater mir erzählt hat. Er sagte, dass in der Scheune ein Relikt versteckt sein soll. Etwas, das mit den Wächtern des Sees verbunden ist.“

„Ein Relikt?“ Lea beugte sich vor, ihre Augen leuchteten vor Aufregung. „Was für ein Relikt?“

„Das wusste mein Großvater auch nicht genau“, sagte Alva. „Aber er hat immer gesagt, dass es ein Geheimnis bewahrt, das nicht jeder verstehen kann.“

Die Kinder tauschten einen Blick aus. „Das müssen wir uns ansehen“, sagte Lukas entschlossen.

„Passt auf euch auf“, warnte Alva. „Die Geschichte mag alt sein, aber manche Geheimnisse sind gefährlicher, als sie scheinen.“

„Wir werden vorsichtig sein“, versprach Mia, während sie ihre Sachen zusammenpackten.

Es dauerte nicht lange, bis die Kinder die alte Scheune fanden. Sie lag am Rand des Dorfes, versteckt hinter hohen Bäumen und überwucherten Sträuchern. Das Dach war teilweise eingestürzt, und die Holzbretter an den Wänden waren verwittert und mit Moos bedeckt.

„Das sieht aus, als hätte hier seit Ewigkeiten niemand mehr etwas angerührt“, sagte Finn und leuchtete mit seiner Taschenlampe in die Dunkelheit der Scheune.

„Vielleicht aus gutem Grund“, murmelte Mia, während sie vorsichtig die Tür aufdrückte.

Im Inneren war die Luft feucht und roch nach altem Holz und Erde. Auf dem Boden lagen zerbrochene Werkzeuge und alte Säcke mit Körnern, die längst verfault waren. Doch in einer Ecke entdeckten die Kinder etwas, das ihre Aufmerksamkeit sofort fesselte: eine große Metallkiste, die halb im Boden vergraben war.

„Das muss es sein“, sagte Lukas und kniete sich hin, um die Kiste genauer zu betrachten.

„Hilf mir, sie auszugraben“, sagte Finn, und gemeinsam begannen sie, die Erde um die Kiste herum zu entfernen.

Nach einigen Minuten harter Arbeit war die Kiste freigelegt. Sie war mit einem rostigen Vorhängeschloss gesichert, das jedoch leicht zu öffnen war, als Lukas mit seinem Taschenmesser daran herumhantierte. Mit einem leisen Knarren sprang der Deckel auf, und die Kinder starrten gebannt auf den Inhalt.

Drinnen lagen ein altes Pergament, ein kleiner Kristall, der im schwachen Licht funkelte, und ein seltsames Metallfragment, das wie ein Teil eines größeren Objekts wirkte.

„Was ist das?“ fragte Lea und hob vorsichtig das Metallfragment auf.

„Das könnte zu einem der Relikte gehören, die wir bereits gefunden haben“, sagte Mia und verglich es mit den Fotos in ihrem Notizbuch. „Es sieht ähnlich aus wie die Glocke.“

„Aber was macht der Kristall hier?“ fragte Finn und hielt das glitzernde Objekt ins Licht. „Meint ihr, er hat eine besondere Bedeutung?“

„Vielleicht interagiert er mit der Glocke“, schlug Lukas vor. „Wir sollten ihn zurück ins Hotel bringen und es ausprobieren.“

Die Kinder packten ihre Funde ein und kehrten ins „Seeblick“ zurück, wo Anna bereits auf sie wartete. Sie hatten ihr eine Nachricht hinterlassen, dass sie ins Dorf gegangen waren, und Anna war neugierig, was sie herausgefunden hatten.

„Das hier haben wir in der alten Scheune gefunden“, erklärte Mia und legte die Gegenstände auf den Tisch in der Lobby. „Wir glauben, dass sie mit den Ritualen und den Wächtern des Sees zusammenhängen.“

Anna betrachtete die Funde aufmerksam. „Der Kristall sieht aus, als wäre er ein Schlüssel oder ein Aktivator“, sagte sie nachdenklich. „Vielleicht hat er eine Verbindung zu der Glocke.“

„Dann sollten wir es ausprobieren“, sagte Lukas. „Aber wir müssen vorsichtig sein.“

Die Kinder und Anna gingen in den Keller des Hotels, wo die kleinere Glocke immer noch auf dem Podest stand. Finn hielt den Kristall vorsichtig über die Glocke, und im selben Moment begann sie leise zu vibrieren. Ein sanfter Ton erfüllte den Raum, und die Gravuren auf der Glocke leuchteten schwach auf.

„Das ist unglaublich“, flüsterte Mia. „Sie reagiert auf den Kristall.“

„Vielleicht ist das erst der Anfang“, sagte Anna. „Wenn es noch mehr solcher Fragmente gibt, könnten sie uns den Weg zu etwas Größerem weisen.“

„Dann müssen wir weitermachen“, sagte Lukas entschlossen. „Der See gibt seine Geheimnisse nicht freiwillig preis, aber wir sind auf dem richtigen Weg.“

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