Episode 79 – Das verschwundene Zeichen

Es war ein grauer Vormittag, als Jonas, Mia, Finn und Lea erneut durch Sankelmark liefen. Der Wind fegte feine Tropfen über die Dorfstraße, die Blätter der alten Linden vor dem Gasthof „Zur Linde“ klatschten nass an die Fenster.
Alle bisher veröffentlichen Episoden
- Episode 83 – Der Pfad an der Dorfstraße (Sankelmark)
- Episode 82 – Das Gespräch auf dem Südermarkt
- Die Spur zur Alten Schmiede (Sankelmark)
- Episode 80 – Rückkehr zur Johanniskirche (Flensburg)
- Episode 79 – Das verschwundene Zeichen
- Episode 78 – Das Flüstern im Laub
- Episode 77 – Die Nachricht im Stein
- Die Schatten von Flensburg
- Episode 76 – Die Insel, die nicht da ist
- Episode 75 – Der Wind über dem See
- Episode 74 – Das Gleichgewicht verschiebt sich
- Episode 73 – Die Karte im Antiquariat
- Episode 72 – Heiko im Kiek In
- Episode 71 – Rückkehr an den Steg
- Episode 70 – Das Fenster im Dorf
- Episode 69 – Die unterbrochene Linie
- Episode 68 – Heiko und das Fenster
- Episode 67 – Die Notiz auf dem Umschlag
- Episode 66 – Jonas hat eine Vermutung
- Episode 65 – Die Geräusche im Flur
- Episode 64 – Stimmen im Flur
- Episode 63 – Der Staub vergangener Jahre
- Episode 62: Das Gleichgewicht
- Episode 61: Das Flüstern im Laub
- Episode 60: Das Zeichen am Ufer
- Die Spur der Falkenbergs
- Die verlorene Verbindung
- Das alte Versprechen
- Der verschwundene Gast
- Das erste Jahr im Seeblick
- Episode 58: Ein neuer Blick auf das Seeblick
- Episode 57: Ein Tag im Seeblick
- Episode 56: Ein stiller Beobachter
- Episode 55: Heiko entdeckt Sankelmark
- Episode 54: Ein leiser Wandel
- Episode 53: Die Ankunft der Familie Lenzen
- Episode 52: Das vergessene Gutshaus
- Episode 51: Die verborgenen Aufzeichnungen
- Episode 50: Verborgene Pfade
- Episode 49: Die Inschrift in der Kirche
- Episode 48: Die Reise nach Oeversee
- Episode 47: Das Echo der Glocke
- Episode 46: Die Glocke aus der Tiefe
- Episode 45: Die Fahrt ins Unbekannte
- Episode 44: Die Spur auf dem See
- Episode 43: Begegnungen in Oeversee
- Episode 42: Der Blick durch das Fernrohr
- Episode 41: Die Spur im Hafen
- Episode 40: Die Karte der Vergangenheit
- Episode 39: Das vergessene Ufer
- Episode 38: Der Kompass des Vergessens
- Episode 37: Der Fund am Morgen
- Episode 36: Die Botschaft aus der Tiefe
- Episode 35: Das Licht im Wasser
- Episode 34: Grenzen und Konsequenzen
- Episode 33: Das Echo des Sees
- Episode 32: Ein Tag in Sankelmark
- Episode 31: Das Geheimnis im Schilf
- Episode 30: Zwischen Alltag und Ungewissheit
- Was bisher geschah - was geschehen wird
- Episode 29: Das Grollen aus der Tiefe
- Episode 28: Das Echo aus der Tiefe
- Jonas und sein Geheimnis
- Episode 27: Ein spannender Alltag im Hotel Seeblick
- Episode 26: Schatten über dem See
- Episode 25: Das Grollen aus der Tiefe
- Episode 24: Die Warnung aus der Tiefe
- Episode 23: Anna und die Stimmen der Vergangenheit
- Zwischenerzählung: Anna und der Ruf des Seeblick
- Episode 22: Das verschwundene Zeichen
- Episode 21: Das Echo der Vergangenheit
- Was bisher geschah: Die Geheimnisse des Sankelmarker Sees
- Episode 20: Die Wächter des Sees
- Episode 19: Das Echo der Glocke
- Episode 18: Der Fremde und die Wahrheit im Nebel
- Episode 17: Das Rätsel der Kristalle
- Episode 16: Ein Rätsel im Dorf
- Episode 15: Ein lebhafter Tag im „Seeblick“
- Anna und die Stimmen der Vergangenheit
- Episode 14: Der verborgene Tunnel
- Episode 13: Verborgene Wahrheiten im Hotel
- Episode 12: Das Tagebuch des Fremden
- Episode 11: Die Spur im Nebel
- Was bisher geschah rund um den Sankelmarker See: Die Reise ins Unbekannte
- Episode 10: Der erste markierte Punkt
- Episode 9: Annas Sorgen und neue Pläne
- Tauche ein in die Geheimnisse des Sankelmarker Sees – per WhatsApp!
- Episode 8: Das verborgene Zimmer
- Episode 7: Die Akademie Sankelmark
- Episode 6: Die Lichter auf dem See
- Episode 5: Die Gravuren im Nebel
- Episode 4: Das verlorene Boot
- Episode 3: Symbole im Arnkielpark
- Episode 2: Das Kiek In und die ersten Geschichten
- Episode 1: Annas Neuanfang
- Das Bullauge der Zeit
„Bist du sicher, dass es heute sein muss?“ fragte Finn und zog die Kapuze enger um den Kopf.
„Gerade heute“, antwortete Jonas. „Wenn sich etwas verändert, dann jetzt.“
Sie bogen am Café „Kiek In“ vorbei, wo Frau Alva gerade Stühle ins Trockene brachte. Sie winkte ihnen zu, sagte aber nichts. In ihrem Blick lag ein stilles Wissen.
Hinter dem Dorf, vorbei an der alten Schule und den Feldern in Richtung Idstedt, führte ein schmaler Pfad in den Wald. Der Boden war matschig, die Stiefel der Kinder hinterließen dunkle Abdrücke auf dem Weg.
„Der Wald wirkt heute anders“, murmelte Lea.
Mia nickte. „Dichter. Als würde er atmen.“
Nach zwanzig Minuten erreichten sie die Lichtung, auf der sie zuletzt die Spirale aus Laub gefunden hatten. Doch jetzt – nichts.
Keine Spirale. Keine geordneten Blätter. Nur regennasses, aufgewühltes Laub.
„Vielleicht hat der Wind…“ begann Finn.
„Nein“, unterbrach ihn Jonas. Er ging in die Mitte der Lichtung, kniete sich hin. Dort, auf dem feuchten Boden, war eine Markierung eingeritzt. Frisch. Präzise.
Ein Kreis. Darin drei ineinander verschlungene Linien. Und an den vier Himmelsrichtungen kleine Pfeile.
„Das ist neu“, sagte Mia. Ihre Stimme klang fremd in der feuchten Luft.
Jonas fuhr mit dem Finger über die Gravur. Das Holz war weich von der Nässe, aber das Symbol war tief eingekerbt.
„Es ist eine Karte“, murmelte er.
Lea zog ihr Notizbuch hervor und begann, das Zeichen zu skizzieren. Finn holte seinen Kompass.
„Die Pfeile stimmen“, sagte er. „Norden, Süden, Osten, Westen.“
„Vielleicht… zeigt es einen Weg“, schlug Mia vor.
Jonas sah sich um. Der Wind rauschte in den Bäumen, doch die Geräusche wirkten gedämpft, als wären sie weit weg.
„Folgt mir“, sagte er leise.
Sie verließen die Lichtung in Richtung Osten, über einen kaum erkennbaren Trampelpfad, der tiefer in den Wald führte. Nach wenigen Minuten erreichten sie eine kleine Anhöhe. Von dort sahen sie den Sankelmarker See – und dahinter, weit entfernt, die ersten Häuser von Großsolt.
„Ich kenne diesen Weg“, sagte Lea plötzlich. „Meine Großmutter hat immer erzählt, dass man von hier zum alten Mühlenteich bei Großsolt gehen konnte. Früher, bevor der Weg verwachsen ist.“
„Vielleicht gibt es dort etwas“, meinte Jonas.
Zur gleichen Zeit saß Heiko im Café „Kiek In“. Der Regen peitschte gegen die Fenster. Frau Meier saß ihm gegenüber, eine Decke über den Knien, einen Kräutertee in der Hand.
„Früher“, sagte sie, „gab es Pfade. Unsichtbare. Keine Wege, wie ihr heute denkt. Linien aus Erinnerung.“
„Zwischen Flensburg und hier?“ fragte Heiko.
Frau Meier nickte. „Über die Dörfer. Großsolt, Tarp, Oeversee. Immer an den alten Stätten vorbei. Kirchen, Gräber, Quellen.“
„Und Sankelmark?“
„Immer ein Knotenpunkt.“
Heiko machte sich Notizen. Er verstand immer mehr: Das Hotel Seeblick war nicht nur ein Ort zum Übernachten gewesen. Es war ein Hüter. Ein Teil eines größeren Ganzen.
Die Kinder erreichten schließlich einen alten, verfallenen Zaun. Dahinter: eine niedrige Steinmauer, moosbedeckt, fast vollständig vom Unterholz verschluckt.
„Das ist der alte Mühlenteich“, sagte Finn.
„Da drüben“, rief Lea, „ein Stein!“
Sie kletterten über die Mauer. Dort, halb versunken im Boden, lag ein großer, flacher Findling. In seine Oberfläche eingraviert: ein vollständiger Kreis mit vier eingekerbten Punkten.
Und in der Mitte – eine Zahl: 1919.
„Das Jahr nach dem großen Krieg“, flüsterte Mia.
Jonas fuhr mit der Hand über die Gravur. Wasser sammelte sich in den Einkerbungen, glitzerte im grauen Licht.
„Das ist der vierte Punkt“, sagte er. „Der letzte.“
„Und was jetzt?“ fragte Finn.
Jonas sah zum See hinüber, dessen Wasser sich silbern unter den dunklen Wolken kräuselte.
„Jetzt hören wir zu“, sagte er. „Was der See uns sagt.“
Am Abend, als sie ins Dorf zurückkehrten, hing Nebel über der Straße. Die Laternen an der Dorfstraße glommen schwach. Vor dem Hotel Seeblick stand Anna. Sie wartete auf sie. Und hinter ihr, fast unsichtbar im Nebel, stand Heiko.
Sie sagten nichts.
Aber alle wussten:
Etwas hatte sich geschlossen.
Und etwas anderes – etwas viel Älteres – begann zu atmen.
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